Kuratorisches Konzept
Zur Einstimmung auf das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum, das im Jahr 2019 bundesweit begangen wird, veranstaltet das Mies van der Rohe Haus 2018 eine Ausstellungs-, Symposiums- und Veranstaltungsreihe mit dem Titel MIES – SITZEN UND LIEGEN, die die zeitgenössischen Künste mit Möbeldesign und Architekturgeschichte unter einer gemeinsamen Thematik vereint.
Geplant sind vier Doppelausstellungen (01-04), in denen zeitgenössische Kunst und Möbel von Mies van der Rohe in einen Dialog treten. Die Themenreihe MIES – SITZEN UND LIEGEN geht vom konkreten Beispiel der Architektur des Mies van der Rohe Hauses aus, ist darüber hinaus dem Architekten Ludwig Mies van der Rohe gewidmet und beschäftigt sich zudem mit der Kulturtechnik des „Sitzen und Liegens“ im gesellschaftlichen Wandel von der Moderne bis zur Gegenwart.
Ziel der Themenreihe ist es, jenseits von Werkverzeichnissen und musealen Präsentationen von Möbeln, eher praktische, ästhetische und kulturtheoretische Aspekte des „Sitzen und Liegens“ zu beleuchten. Vor dem Hintergrund des Beitrages eines der größten Architekten des 20. Jahrhunderts, Ludwig Mies van der Rohe, kann man sehr schön darstellen, dass „Sitzen und Liegen“ nicht nur eine Frage von Funktion und Konstruktion ist, sondern auch von Form, Wahrnehmung, Materialität und Genuss. „Less is more“ bedeutet hier ein Mehr an Lebensqualität.
Kuratiert, künstlerisch begleitet und wissenschaftlich betreut wird MIES – SITZEN UND LIEGEN von Dr. Wita Noack, Marie Luise Birkholz, Felix Hoffmann, Bernd Dicke, Michael Wesely, Jan Maruhn, Ingolf Kern, Hans Irrek, René Müller, Dr. Sabine Thümmler und Dr. Achim Stiegel für das Kunstgewerbemuseum Berlin sowie Andreas Ehrlich für Thonet.
Der Architekt und letzte Bauhausdirektor Ludwig Mies van der Rohe hat nicht nur großartige Bauten, sondern auch Möbel für deren Innenräume entworfen. Oft benannte Mies die Möbel dann nach den Bauprojekten, für die sie erstmals angefertigt wurden, wie den Weißenhof Stuhl, den Barcelona Sessel oder den Tugendhat Sessel.
Auch die Räume von Landhaus Lemke wurden vom Atelier Mies van der Rohes in Zusammenarbeit mit Lilly Reich und Friedrich Hirz ausgestattet. Interessanterweise kamen bei diesem Projekt keine Stahlrohrmöbel zum Einsatz, wie dies alte Fotografien suggerieren, sondern Möbel aus dunklem Holz, gelb gefärbtem Leder und handgewebten Stoffbezügen.
Teile der originalen Möblierung von Landhaus Lemke befinden sich heute in der Sammlung des Kunstgewerbemuseums am Kulturforum.
Die Ausstellungsreihe 2018 mit dem Titel MIES – SITZEN UND LIEGEN stellt in vier Teilen die Möbel des Hauses und ausgewählte Sitz- und Liegemöbel von Mies vor. Diese werden thematisch in Szene gesetzt mit Ausstellungen der Gegenwartskunst.
21.01.-01.04.2018
Der in Hamburg lebende Fotokünstler Peter Piller (*1968) zeigt ein breit angelegtes und spanndendes, insgesamt 60 Fotografien umfassendes Konvolut, angefangen von der Kamasutraliege bis hin zum Schleudersitz. Der Künstler hat seine Ausstellung aus Recherchen in verschiedenen Archiven zusammengestellt. Dazu benutzte er unter anderem alte Zeitschriften, Postkarten und Werbematerialien. Bei der Auswahl der Bilder hat sich Peter Piller leiten lassen von bekannten Mies-Porträts, auf denen Mies selbst sitzt oder liegt. Das Entscheidende bei der Ausstellung ist der neue Kontext: Peter Piller löst die Bilder aus alten Sammlungen und fügt sie frei und assoziativ in einen neuen Zusammenhang. So stellt er beispielsweise Bilder aus Hitchcock- und Antonioni-Filmen in eine Reihe mit Fotografien aus dem Fitness- oder auch Militärbereich.
Parallel werden in Anlehnung an die originalen Sitzmöbel des Hauses Lemke der MR 10 „Samt und Seide“, der Barcelona Sessel und ein lederbezogener Holzstuhl vorgestellt. Die Stühle zeigen eine entwerferische Bandbreite vom Holz- zum Stahlrohr- und Flachstahlmöbel.
15.04.-24.06.2018
Für diese Ausstellung wurde der international bekannte Fotokünstler Thomas Ruff (*1958) eingeladen. Mit der präsentierten Fotoserie „LA RÊVERIE“ (1982) werden die Sitzmöbel zum Ausgangspunkt performativen Handelns.
Kombiniert wird die Ausstellung mit einer patentierten Erfindung von Mies van der Rohe aus den 1930er-Jahren: der S-förmigen Hängeliege. Ein zeitgenössischer Nachbau dieser Hängeliege (Firma Tecta) wird im Garten zur Wirkung kommen. Im Mies van der Rohe Haus ist der MR 242 CL Liegesessel (Chaiselongue) sowohl zum Anschauen als auch zum Ausprobieren ausgestellt. Haus Lemke bildete bereits 1933 die Kulisse für ein Fotoshooting mit dieser Liege. Die zwei S-förmigen Sitz- bzw. Liegemöbel sollen nicht nur als museale Ausstellungsstücke dienen, sondern vom Publikum in Selbsterfahrung erkundet werden können – LA RÊVERIE gibt dazu die Anleitung.
Zusätzlich zeigt Thomas Ruff ein Foto vom Haus Lemke aus der Serie „l.m.v.d.r.“. Die Fotografie „h.l.b.01“ entstand 2000 im Rahmen der Ausstellung „Mies in Berlin“, die das MoMA in New York und in Berlin veranstaltete.
08.07.-16.09.2018
Vom Garten des Hauses Lemke haben sich historische Fotografien erhalten, die 1933 für die Firma Thonet als Werbeaufnahmen für die Mies‘schen Stühle angefertigt wurden. Was braucht man zum Sitzen und Liegen? Die historischen Werbeaufnahmen zeigen, was dazu gehört: Buch und Apfel. Mariko Takagi wird sich in ihrer Ausstellung ICH DENKE IN WÖRTEN UND TRÄUME IN BILDERN mit den Begriffen Sitzen, Buch und Apfel grafisch-analytisch und assoziativ beschäftigen und dabei Bezüge zu den Kulturen Japan und Deutschland, in denen sie bisher gelebt hat, herleiten.
Inzwischen hat die Firma Thonet diese originalen Stühle in kontinuierlicher Produktion weiterentwickelt und outdoorfähig gemacht. Die historischen Aufnahmen werden im Rahmen der Ausstellung mit den aktuellen Thonet-Modellen nachgestellt – MIES FOR ALL SEASONS. Auch diese Möbel sind zur Benutzung und Selbsterfahrung durch das Publikum im schönen, sommerlichen Garten gedacht.
30.09.-16.12.2018
Im vierten Ausstellungspart der Themenreihe 2018 MIES – SITZEN UND LIEGEN wird sich der Foto- und Videokünstler Sebastian Stumpf (*1980) performativ und mit neuen Medien den Bänken, Liegen und dem Sitting Space widmen. Die Installationen von Sebastian Stumpf zeigen auf unprätentiöse, witzige Art und Weise, wie Körper und Raum in Beziehung stehen. In seiner Ausstellung STILL stehen Mies‘ Originalschauplätze im Fokus, genauso wie die Rezeption von Mies‘ Möbeln im öffentlichen Raum. Sebastian Stumpf macht eine Arbeit zum populären Daybed von Ludwig Mies van der Rohe und Lilly Reich, das heute in zahlreichen Reproduktionen in Wartezimmern unter anderem in den Bundestagsbauten ein Dasein fristet.
Weniger ist mehr. Dieses Möbel ist eher architektonische Gestaltung als Ergonomie. Vier Rundrohrfüßen, ein Rahmen, Gurte und eine Polsterauflage mit einer Nackenrolle: fertig ist die Couch. Eine horizontale Fläche und ohne konkrete funktionale Bestimmung. Das sogenannte Daybed ist zum Sitzen, Liegen und Tagträumen flexibel nutzbar. Von Ludwig Mies van der Rohe und Lilly Reich 1930 entworfen, wurde es erstmalig auf der Berliner Bauausstellung 1931 gezeigt. Berühmt wurde die Couch durch die Verwendung im Haus Farnsworth.
13.4.-30.11.2018
Das Kunstgewerbemuseum Berlin nimmt an der diesjährigen Ausstellungs- und Vortragsreihe des Mies van der Rohe Hauses teil. Die Reihe trägt den Titel: MIES – SITZEN UND LIEGEN. Dazu werden im Kunstgewerbemuseum alle Sitz- und Liegemöbel aus dem Nachlass Martha Lemke gezeigt. Die ständige Präsentation wurde dafür eigens mit Archivgbeständen erweitert. In Kooperation mit dem Mies van der Rohe Haus erfolgt ein künstlerischer Kommentar des Berliner Fotografen Michael Wesely, der den ursprünglichen Zusammenhang von Haus und Möblierung wieder sichtbar macht.
Im Jahr 1984 übereignete Martha Lemke ihre Möbel dem Kunstgewerbemuseum. Sie gehörten ursprünglich zur Erstausstattung des Landhauses Lemke in Berlin-Weißensee, welches Ludwig Mies van der Rohe 1932/33 für das kinderlose Ehepaar Karl und Martha Lemke entwarf. Auch die Möbel für das Haus wurden im Atelier Mies van der Rohes unter Mitwirkung von Friedrich Hirz und Lilly Reich geplant. Bedingt durch die geschichtlichen Ereignisse in der Nachkriegszeit wurden Haus und historische Möbel schließlich voneinander getrennt. Das gemeinsame Projekt der Institutionen Kunstgewerbemuseum und Mies van der Rohe Haus baut kuratorische Brücken von Haus zu Haus, eröffnet Möglichkeiten und akzeptiert zugleich das Ergebnis der Teilung auf zwei Standorte in Berlin.