Alois Riehl. Der erste Bauherr von Mies

Ausstellung: 17.03. 30.06.2024

Eröffnung: 17.03.2024, 14 Uhr

Die Ausstellung ist dem Andenken an Alois Riehl, dem ersten Bauherrn von Mies van der Rohe gewidmet, dessen 180. Geburtstag auf den 27. April 2024 fällt und dessen Todestag sich am 21. November 2024 zum hundertsten Mal jährt. Das Haus Riehl wurde in Potsdam-Neubabelsberg zwischen 1908 und 1909 von Mies als Erstlingswerk erbaut und bald zu einem wichtigen Ort des geistig-kulturellen Austausches. Die Ausstellung spannt den Bogen zwischen der Philosophie Riehls und dem architektonischen Denken von Mies. Gezeigt werden Reproduktionen der neu entdeckten, etwa um 1913 entstandenen Fotografien, die Haus und Garten Riehl in einer für das Autochromverfahren charakteristischen Farbigkeit zeigen.

ALOIS RIEHL

Alois Riehl wurde nach Stationen in Graz, Freiburg, Kiel und Halle/Saale als Nachfolger Wilhelm Diltheys auf den Lehrstuhl für Philosophie an die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, der heutigen Humboldt-Universität zu Berlin berufen. In dem von Hegelschen Idealismus geprägten Berlin war die Berufung von Riehl eine Besonder­heit: Als Begründer des Philosophischen Kritizismus steht er in kritischem Anschluss an die Vernunftkritik von Immanuel Kant. Er geht davon aus, dass Gegenstände und Dinge, die wahrgenommen und empfunden werden, unabhängig vom menschlichen Bewusstsein existieren. Im Zentrum dieser realistischen Perspektive stehen da­her weniger die erfahrungsbedingenden (transzendentalen) Kategorien des Denkens als vielmehr die der leben­digen Erfahrung zugänglichen Gegenstände. Riehl stellt sich damit gegen eine idealistische Interpretation der Kantischen Philosophie und baut zugleich eine Brücke zu den empirisch ausgerichteten Naturwissenschaften. Aufgrund dieser wissenschaftsphilosophischen Reflexionen gilt Riehl als einer der ersten, die »Wissenschafts­theorie« explizit in ihr denkerisches Programm aufgenommen und konstruktiv ausgearbeitet haben.

Riehl, der sein Berliner Ordinariat am 1. Oktober 1905 antrat, galt nicht nur wissenschaftlich, sondern auch gesell­schaftlich als überaus offener Geist. Er verkehrte mit zahlreichen Intellektuellen und Künstlern und versammelte eine große Schülerschaft um sich. Neben der Sozialreformerin Alice Salomon zählte unter anderem der Philo­soph Oswald Spengler zu seinem Schülerkreis. Auch gab es im Haus Riehl sogenannte »Haussöhne«: Neben Mies waren das der Pädagoge Eduard Spranger und der Altphilologe Werner Jaeger. Riehls Kollegen Carl Stumpf und Heinrich Wölfflin waren oft bei ihm zu Gast.

HAUS RIEHL

Alois und Sofie Riehl hatten klare Vorstellungen: Das Haus sollte als Rückzugsort für geistige Arbeit und als Treff­punkt für das Berliner Geistesleben dienen. Aufgrund seiner Lage inmitten der Potsdamer Seen- und Hügelland­schaft sollte es zudem mit der Natur in Verbindung treten. Durch die Hanglage des Grundstücks begegneten sich zwei unterschiedliche Ebenen: Der obere, zu einer Gartenterrasse aufgeschüttete Teil beherbergte den Bau­körper und war von einer monumentalen Stützmauer gesichert. Unterhalb des Mauerzugs durchstreifte ein or­ganisch angelegter Weg die abfallende Rasenfläche. Mies schuf für diese Umgebung ein schlicht wirkendes Haus in der Bautradition der Zeit Um 1800 mit einem klaren Aufbau: Im Untergeschoss lagen die Wirtschaftsräume, im Erdgeschoss die Wohnräume und im Dachgeschoss die Schlafräume. Die Halle bildete das Zentrum des Erd­geschosses und ermöglichte bei Öffnung der zweiflügeligen Tür den Blick ins Freie. Mit einem Rundbogen über­höht und von zwei schlanken Fenstern flankiert, leitete sie in eine halb-offene Loggia über, die mit vier Pfeilern in voller Breite flankiert war. Mies sagte im Rückblick: »Es war keine Villa. Es war eigentlich so im märkischen Cha­rakter, wie die märkischen Häuser in Werder, ganz schlichte Dachformen mit Giebel und ein paar Dachgauben, meistens geschweifter Art.«

GARTEN RIEHL

Das Ehepaar Riehl ließ einen Garten anlegen, der sich aus einem blumenreichen Wohngarten am Haus und ei­nem landschaftlich gestalteten Hang zusammensetzte. Vorbild für die Gartenterrasse war die Zeit Um 1800. Die Mittelachse des Terrassengartens verband den Hauseingang und den Treppenabgang zum unteren Gartenteil und erzeugte die optische Wirkung einer Symmetrie. Die beiden scheinbar quadratischen Beetfelder vor der Hauptfassade und ebenso die schmalen Beetstreifen auf der West- und Südseite der Terrasse wurden zu Rasen­stücken bestimmt und waren von Rabatten eingefasst und mit Wildrosenhecken versehen. Der übrige Hang ist unter Vermeidung weiterer Terrassierungen in schlichter landschaftlicher Form gehalten. Ein Rankbogen über­wölbte den Treppenabgang nach Süden. Der geschwungene Weg am Hang wurde seitlich mit Fichten, Laub­bäumen und -sträuchern sowie großen Stauden bepflanzt. Für die Vögel gab es mehrere Tränken aus Sandstein. Lange Zeit galt Karl Foerster, der bei anderen Bauwerken nachweislich mit Mies zusammengearbeitet hat, als Gestalter des Garten Riehl. Diese Annahme wird in der heutigen Forschung bezweifelt.