„Baukunst wurzelt mit ihren einfachsten Gestaltungen ganz im Zweckhaften. Reicht aber hinaus über alle Wertstufen bis in den Bezirk geistigen Seins, in das Gebiet des Sinnhaften, der Sphäre der reinen Kunst.“ (Mies van der Rohe, 20. November 1938, Chicago)
Im Landhaus Lemke sind Abstraktion und abstrakte Formen auf das Engste miteinander verwoben. Mies van der Rohes Landhaus Lemke von 1932/33 führt abstrakte Formen und essenzielle Konzepte in einem Prototyp zusammen. Der Bau führt die Idee eines bewohnbaren Hauses in die Zukunft, in der der Bungalow zum Inbegriff einer Verschränkung zwischen Architektur und Garten werden sollte. Das Landhaus Lemke wird als ein reifes Beispiel der Zwischenkriegsmoderne zum Vorbild einer neuen Wohnform, die sich erst in der Nachkriegszeit als Wohnmodell durchsetze. So zeichnet sich Mies‘ Werk dadurch aus, dass es durch die Strenge in der Architektursprache, die Sorgfalt im Detail und eine Konzentration auf das Wesentliche immer auch eine besondere räumliche Atmosphäre hervorzubringen vermag. Das Ausstellungsprogramm des Mies van der Rohe Hauses spannt im Jahr 2024 einen weiten Bogen:
Am 17.3. wird die Ausstellung eröffnet, die dem Professor für Philosophie, Alois Riehl, gewidmet ist. Riehl war der erste Auftraggeber von Mies. Danach folgt am 14. Juli die Ausstellung mit dem künstlerischen Mal- und Collagenwerk des in Mecklenburg ansässigen Künstlers Andreas Barth, der auf der Basis von gesammelten Farbkartensystemen sein Werk aufbaut. Mit den imaginären Farbräumen des Leipziger Malers David Schnell endet das Jahr. Die Ausstellung von David Schnell wird am 8.12. eröffnet. Zusätzlich werden in der Schriftenreihe des Hauses in diesem Jahr zwei neue Ausgaben herausgegeben. Die #10 erscheint anlässlich der gleichnamigen Ausstellung „Alois Riehl. Der erste Bauherr von Mies“ und enthält Texte von Fritz Neumeyer, Annette Dorgerloh und Clemens Alexander Wimmer.
Es ist inzwischen zu einer guten Tradition im Mies van der Rohe Haus geworden, einmal im Jahr ein besonderes Ausstellungsprojekt eigens dem Werk des Architekten Mies zu widmen. Dieses Mal steht das Erstlingswerk des Architekten, gebaut zwischen 1908 und 1909, im Fokus. Neu entdeckte Autochrome, ein frühes Verfahren der Farbfotografie, zeigen Haus und Garten Riehl von einer neuen Seite. Die Idee der Verbindung von „Mensch, Architektur und Natur auf einer höheren Ebene“ wurde im Haus Riehl von Mies gestalterisch umgesetzt und mündete etwas mehr als zwanzig Jahre später im Landhaus Lemke, wo diese Idee in einer bis auf das Wesentlichste konzentrierten Art seine Form gefunden hat.
Die Sommerausstellung von Andreas Barth vereinigt minimalistische Malerei mit einer konzeptuellen Arbeitsweise, die auf eine Sammlerleidenschaft von Farbsystemen gründet. In der Ausstellung wird Barths monochrome Flächenmalerei mit dem Collagenwerk kombiniert. Eine Sammlung von Frühstücktabletts mit konstruktivistischem Muster aus den sechziger und siebziger Jahren legt Zeugnis ab von der ungebrochenen Kraft abstrakter Formen in der Kunst wie auch im Gebrauchshandwerk. Die geistige Abstraktion mit ihren philosophischen wie literarischen Verästelungen findet sich in den Sammlungen von Farbmustern und Farbkarten wieder, die in ihrer Systematisierungslust geistig-abstrakte Denkmodelle spiegeln. Auch Andreas Barths künstlerische Mal- und Sammlungswerke zielen auf den Kern philosophischer Theorien. Er sucht die geistige Konzentration im Werk.
Die Ausstellung von David Schnell entwirft die Welt als Raum. Seine Malerei bildet Farbräume, die drei Prinzipien miteinander verweben: Ausschnitthaftigkeit mit Tiefenraum, Farbfelder mit kristallinen Splittern und vor allem die Zentralperspektive verbunden mit Traumräumen. Abstrakte, vom Kubismus inspirierte, oft fliegende und sich verdichtende flächenhafte Raumglieder fliegen durch imaginäre Raumbilder. Geometrische Formen treffen unvermittelt auf abbildhafte Bildwelten und wie in Träumen verbinden sich malerisches Detail mit erinnerten assoziierten Abstraktionen.
Junge Leute kommt ans Mies van der Rohe Haus! Vom 5.7. bis zum 7.7. 2024 findet der Workshop MISCHI statt.Wir gründen ein Architekturbüro auf Zeit, das nach Ludwig Mies van der Rohe und Karl Friedrich Schinkel benannt ist und kurz „MiSchi“ heißen wird. Hier bauen und diskutieren wir zusammen mit namhaften Architektinnen und Architekten wie Miriam Plünnecke (BBR, Generalsanierung Altes Museum), Alexander Schwarz (David Chipperfield Architects), Ursula Steinhilber (SESA Architekten), Paul Kahlfeldt (Kahlfeldt Architekten), und Jörn Köppler (Köppler Türck Architekten). Wir besuchen das Alte Museum und die Friedrichswerdersche Kirche und können uns auch im Kupferstichkabinett Originalzeichnungen von Schinkel anschauen. Das Mies van der Rohe Haus wird für drei Tage zu einem Baubüro, um mutige Bilder für die Zukunft zu entwerfen.